Wer der berühmten Amalfitana den Golf von Salerno entlang folgt, stößt früher oder später auf Zitronen. Unzählige. Einst retteten die Zitrusfrüchte Leben, heute prägt ihr Anbau den einzigartigen Charme der Amalfiküste. Autorin Annette Rübesam nimmt dich mit auf ihre Reise an die Westküste Italiens, an die Costa d’Amalfi .
Ein himmelblauer Fiat 126 steuert über die Strada Statale 163. Es ist ein älteres Modell voller Beulen und mit einem rostigen Lastenträger auf dem Dach. Der Fahrer sitzt tief in den Autositz versunken, doch sein weißer Haarkranz leuchtet wie ein Heiligenschein über der Rückenlehne. Knotige Hände umklammern das Lenkrad, am Rückspiegel schwingt ein Rosenkranz. Der Fiat ist mit Tempo 25 unterwegs und alle anderen Autos mit ihm, denn Überholmanöver sind nicht zu empfehlen auf einer Straße, die nicht viel breiter ist als ein besserer Radweg und sich windet und schlängelt wie frisch gekochte Spaghetti. Umso besser: Im zweiten Gang zuckelnd lässt sich die Straße am besten genießen, die den Golf von Salerno säumt und die in ihrer dramatischen Schönheit einzigartig ist auf der Welt. Die Amalfitana.
Hinter jeder Kurve eine Überraschung
Tief unten das Meer, dunkelblau mit türkisfarbenen Einsprengseln. Weiße Gischt sprüht über die Klippen. Über der Straße klettern steile Berge himmelwärts. Steineichen klammern sich in den Fels, Schirmpinien mit flirrend grünen Dächern winden sich wie Fragezeichen aus ihm heraus.
Weiter oben: mühsam dem Berg abgerungene Steinterrassen voller Weinstöcke und Zitronenbäume. Und hinter jeder Kurve eine neue Überraschung: ein tief in den Berg geschnittener Fjord, an dessen Wänden Fischerhäuschen kleben.
Eine halb verfallene normannische Burg. Der Horizont, scharf wie mit dem Rasiermesser geschnitten. Und erst die Orte – Atrani und Amalfi, Praiano und Positano. Klein, mit blendend weiß oder pastellfarben gestrichenen Häusern, wachsen sie fröhlich die steilen Hänge hinauf. Vor dieser Kulisse sehen die senkrecht aufragenden Kirchtürme aus, als sollten sie dieser schwindelig machenden Welt Halt verleihen. Kein Wunder, dass hier schon Künstler wie Richard Wagner und Henrik Ibsen schwach wurden.
Die Amalfiküste ist die Essenz aller Liebe zu Bella Italia. Ein Traumziel, das tiefe Sehnsüchte nach einem Bilderbuch-Italien erfüllt, das anderswo kaum zu finden ist. Und zu dessen Symbolelement die Zitrone wurde.
Der Duft der Zitronenblüten
Zitronensaft galt und gilt als Treibstoff von Amalfi. Viele Besucher wissen nicht, dass das Städtchen, das sich mit seinem uralten Dom zwischen Meer und Steilküste zwängt, zwischen dem 9. und 12. Jh. eine mächtige Seerepublik mit einer großen Galeerenflotte war. Die Ruderer, die diese Boote bewegten, riskierten bei den langen Seefahrten die Mangelkrankheit Skorbut, gegen die sich Zitronensaft als probates Mittel bewährte. So wurde die steile Amalfiküste schon um das Jahr 1000 herum mit Trockenmäuerchen terrassiert und mit den aus Nordafrika eingeführten Zitronenbäumen bepflanzt. „Gärten“ nennen die Amalfitaner ihre Zitronenterrassen, und so fühlen sie sich auch an: Das dunkelgrüne Laub der Bäume bildet schattige Dächer und Lauben, hinter denen immer wieder das Meer hervorblitzt.
Der delikate Duft der Zitronenblüten weht hindurch; die Blüten selbst taumeln wie verspielte Schneeflocken zu Boden. Versteckt im Blätterwerk leuchten die reifen Früchte wie kostbare Juwelen. „Sie schmecken fein, aromatisch und nicht sehr sauer“, flüstert Zitronenbauer Luigi Aceto, der regelmäßig Besucher durch die familieneigenen Gärten führt. Sanft streicht er über eine dicke, grobporige Zitronenschale. „Wir essen sie am liebsten ungeschält, in Scheiben geschnitten, ein bisschen Salz und Olivenöl darauf.“
Malerisches Positano
Gerade mal fünfzig Kilometer lang ist die Amalfitana, die erst im 18. Jh. von den Bourbonen als schmale Pferdekutschen-Straße in den Fels gehauen wurde. Von Vietri al Mare mit seinen bunten Keramik-Werkstätten führt sie über Amalfi nach Positano, das Ex-Fischer, Ex-Künstler- und aktuell mondäne Badedorf.
Wer hier Ferien machen möchte, braucht Geld und Kniegelenke. Hunderte von Metern stapeln sich die rosa und roten Flachdachhäuser übereinander den Hang hinauf, unterbrochen von gepflegten Terrassen und Mäuerchen, weiß lackierten Gittern und Weinlauben. Zwar gibt es eine schmale Autostraße, doch das Leben findet auf unzähligen Treppen und Durchgängen statt, die den Ort durchziehen. Distanzen werden in Stufen, nicht in Metern angegeben.
Zitronen für Seife und Likör
Ganz unten steht der Dom – so nah am Strand, dass das Gebetsmurmeln vom Donnern der Brandung übertönt wird. Dahinter liegen die Gassen mit den Boutiquen, in denen angeboten wird, was sich aus Zitronen herausholen lässt.
Sandra Tamburini etwa verkauft in ihrem Laden nicht nur Seifen in Zitronenform und Aromakerzen mit Zitronenaroma, sondern vor allem Limoncello, den typischen gelben Likör der Küste, den sie aus Zitronenschale, Zucker und Alkohol selbst herstellt. Und den ihr die Besucher förmlich aus den Händen reißen. „Vor 40 Jahren wurden die Zitronen hier nur im Sommer verwendet. Für Gelato. Im Winter vergammelten sie. Da haben mein Mann und ich die alte Likör-Tradition wiederbelebt.“ Nebenbei hat Sandra auch diverse Zitronenparfüms entwickelt, alle Verkaufsschlager. „Alle Menschen lieben den Duft von Zitronen“, sagt Sandra. Vielleicht, weil sie nach Amalfitana riechen?
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Blogtipp von TUI Kollegin Rebecca ►Mit Charme, (Sonnen-) Schirm und Aperol: Besondere Hotels an der Amalfiküste
Axel
Sehr schön geschrieben….macht Lust auf mehr und fängt die Situation sehr feinfühlig ein!!🤗☀️❣
TUI Bloggerin Julia
Hallo Axel,
vielen Dank für dein nettes Feedback. Das freut uns sehr.
Sonnige Grüße,
Julia